Der Kerl hinter der Linse

 

Gerade eben dem Krabbelalter entwachsen, war auch schon kaum ein Fotoapparat vor mir sicher. Im zarten Alter von eineinhalb Jahren schnappte ich Papas alte Kodak Retina Ia - damals schon ein Oldtimer. Das scheint Spaß gemacht zu haben. Was zuerst technikaffines spielerisches Begreifen im eigentlichen Sinn war, wurde rasch zu einer anhaltenden Leidenschaft.

Zu meinem fünften Geburtstag wünschte ich mir unbedingt eine eigene Kamera. Welche Enttäuschung, als  Papa meinte, es sei schon alles für den Geburtstag eingekauft. Welche Freude, nachdem ich am Geburtstag dann doch meine erste Kamera in Händen hielt: Eine AGFAMATIC 50. Nach unzähligen Besuchen im Fotofachgeschäft musste ich dann noch lange auf die Bereitschaftstasche warten. Sorgsam nahm ich meine Kamera in den nächsten Urlaub eben einmal in der Originalverpackung mit auf Reise.

Später durfte ich Papas ausrangierte Zeiss-Ikon Ikarex 35CS benutzen und hatte nun einen passablen Brennweitenspielraum von 35 bis 135mm. Wenngleich die Kamera ein trauriges Stück deutsche Kamera-Geschichte darstellt, so hatte ich doch prima Objektive, die damals keinen Vergleich mit aktuelleren, namhaften Herstellern scheuen mussten. Mit wachsendem Alter stieg auch stetig das Bestreben, tiefer in die Materie einzusteigen. An dieser Stelle spielte dann wieder die alte Kodak Retina Ia eine wichtige Rolle. Diese betagte Kamera war mir eine wahrhaft gute Lehrmeisterin im Umgang mit einem Handbelichtungsmesser in die tieferen Zusammenhänge zwischen Licht, Blende und Belichtungszeit einzutauchen. Auch die Reduktion auf die Standartbrennweite von 50mm schulte mein fotografisches Sehen und leitete mich zur Konzentration auf das Wesentliche. Bis heute erfüllt es mich noch mit Stolz, dass ich nach einer Klassenfahrt in der Oberstufe Erstaunen geerntet hatte, indem ich mit einer verhältnismäßig simplen Kamera und auch damals völlig veralteter Technik - keiner stellte damals seine Kamera manuell ein, es sei denn ein Profi - tolle Dias hingebracht hatte (die mussten schon weitgehend korrekt belichtet werden, da war kein so großer Spielraum wie bei Farbnegativ oder Schwarzweiß).

Ebenso prägend war der erste selbst entwickelte Schwarzweißfilm in meiner Jugend. Danach folgten viele Stunden in Papas Dunkelkammer.  Für mich war die heimische Dunkelkammer ein wahrhafter Glücksfall.  Da mein Vater schon ein enthusiastischer Hobbyfotograf war, hatte ich für mich wirklich beste Bedingungen im Heimlabor und konnte so Erfahrungen sammeln, die heute schon wieder lange Geschichte sind. 

Während meinem Studium versuchte ich dann mit meinen Fotos Geld zu verdienen. So kam ich als freier Mitarbeiter in die Lokalredaktion des Schwarzwälder Boten und war dann für etwa vier Jahre immer wieder als rasender Reporter unterwegs. In dieser Zeit konnte ich den Aufbruch - damals wurde alles noch auf Filmmaterial aufgenommen - ins digitale Zeitalter miterleben. Während anfänglich noch alle entwickelten Negative in beschrifteten Fototaschen in den Druck nach Oberndorf gingen und die getippten Texte auf Formblättern im Druck endgültig erfasst wurden, ging später alles digital - Negative seinerzeit immer noch vom Film gescannt - aus der Redaktion direkt in den Druck.

Seit ich 2007 auf die digitale Fotografie umgestiegen bin, habe ich kein klassisches Filmmaterial mehr verwendet. Selbst 2007 hätte wohl kaum einer gedacht, dass die klassische Fotografie so rasch einbrechen würde. Ja, ich habe vieles an Grundlagen in der Film-Ära gelernt, das ich heute nicht missen möchte. Dennoch weine ich dem Vergangenen nicht in nostalgischer Verklärung nach. Die Arbeit mit Photoshop am PC hat einfach viele klare Vorteile gegenüber der doch sehr aufwendigen Arbeit in der Dunkelkammer.

 

.... seither und weiterhin leidenschaftliches Gestalten mit Form, Farbe und Licht.