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Auf den Schwingen der Nacht


Regelmäßig besuchte ich dieses Jahr die Uhu-Familie. Als die Jungen noch in ihren Eiern heranwuchsen, traf ich tagsüber in der Regel die Uhu-Mama, welche ihr Gelege warm hielt und geduldig ausbrütete. Nachdem zwei kleine Uhu-Küken geschlüpft waren, war zuerst Mama Uhu weiterhin andauernd bei den kleinen, schutzbedürftigen Küken. Die Uhu-Mama spendete den Kleinen Wärme und gab Acht, dass kein Nesträuber sich über ihren Nachwuchs hermachte oder die unbeholfenen Jungvögel aus Unachtsamkeit in die Tiefe stürzten. Meist am frühen Morgen war das Uhu-Männchen von der nächtlichen Jagd zurück. Dann saß der Uhu-Papa auf einem nahegelegenen Baum - immer mit Blickkontakt zu den Küken und zu seiner Frau Uhu.

Es ist wirklich schön, den Uhu in seiner stoischen Ruhe auf einem Baum sitzend zu fotografieren. So man zur rechten Zeit kommt, hat man wunderbares Licht und  -  da der Uhu eh ruhig in seinem Baum sitzt - keine Problem mit zu langen Belichtungszeiten oder zu hohen ISO-Werten. Doch irgendwann wünscht man sich, den Vogel auch einmal beim Fliegen zu fotografieren. Einmal hatte ich morgens das Glück, dass der Uhu eine Zwischenlandung auf einer Straßenlaterne machte, bevor er sich einen ruhigen Platz zum Dösen suchte. Ein anderes Mal war der Uhu am Morgen so schnell auf einen anderen Baum geflogen, dass mir nur das atemberaubende Gefühl blieb, wie der Uhu lautlos über mich hinwegflog. Zu einem Foto kam ich an diesem Morgen erst etwas später, nachdem der Uhu seinen Ruheplatz wechselte, weil ihn ein mutiger Amselhahn immer wieder attackierte. Das sind alles kurze Chancen, den Uhu im Flug zu fotografieren. Der Wusch nach weiteren Bildern im Flug war jedoch geweckt. So zog ich an mehreren Abenden in der Hoffnung los, den Vogel beim Abflug zur nächtlichen Jagd abzulichten. In der Theorie eine nette Idee. In der Praxis hat es sich dann weit schwieriger angelassen. Lange saß das Uhu-Männchen am Abend in seinem Baum. Immer wieder hoffte ich, der Uhu würde jetzt abfliegen. Doch jedes Mal war es fast eine eingeübte Choreografie: Da wurde das Gefieder gerichtet. Man streckte die Flügel und rutschte etwas auf seinem Ast herum. Während dessen war der Finger immer abschussbereit auf dem Auslöser. Doch dann schloss der Uhu wieder seine Augen und döste vor sich hin. Dieses Schauspiel wiederholte sich meist mehrmals. In dieser Zeit nahm kontinuierlich das Licht ab. Immer wieder schob ich den ISO-Wert weiter nach oben und öffnete die Blende langsam vollständig. Immer bedacht, die beste Balance zwischen möglichst kurzer Verschlusszeit und maximal möglicher Abbildungsleistung zu finden. Am Ende war ich bei ISO 20 000 und darüber. Immer flog der Uhu erst dann los, wenn das Licht eigentlich schon zu schlecht war. Bei meinem letzten Versuch saß der Uhu noch im Baum, als ich eigentlich den Versuch zwecks Lichtmangels hätte abbrechen können. Doch ich hatte ein Blitzgerät dabei und ich startete damit einen Versuch. Ob das jetzt so ästhetisch ist, darüber kann man sich sicher herrlich streiten, doch es war die einzige Chance, die ich hatte und immerhin habe ich diesen Prachtskerl von Vogel erwischt. - Wieder einmal glitt der Uhu auf den Schwingen der Nacht leise in seine Jagdreviere davon. Es ist eben ein Nachtjäger ...

 

 

 

 

 

 

 

WildTierFotografie

Anregungen und Tipps zur erfolgreichen Wildtierfotografie